Jump n Run

Beobachtungen über das Springen und Rollen der Karpfen

Eines schönen Tages, vor ca. fünfzehn Jahren, saß ich an einem See in der Nähe von Karlsruhe. Es war mein damaliges Hausgewässer. Ich erinnere mich noch sehr genau an diesen Angeltag, denn an diesem Abend hatte ich sehr viele Fischaktivitäten an meinem Angelplatz. Es sprangen diverse schöne Karpfen auf meinem Futterplatz. In meinem Fangbuch vermerkte ich an diesem Abend die denkwürdigen Sätze: Mehrere große Karpfen springen über meinem Futterplatz, beide Ruten sind bestens platziert, ich könnte meinen Arsch darauf verwetten, dass ich jeden Moment einen runn bekomme. Am nächsten Morgen leuchteten meine Bissanzeiger in der Morgensonne, eine Spinne hatte zwischen den Bissanzeigern ihr Netz gesponnen, und irgendwie war es mir so als grinsten mich meine Bissanzeiger hämisch vom Rod Pod aus an. Als wollten sie mich an meinen Eintrag aus dem Fangbuch erinnern. Als echter Schwabe kann man mit Niederlagen umgehen und versucht selbstverständlich etwas aus der Situation zu lernen. Die letzte Nacht wühlte in meinem tiefsten Inneren. Es wollte mir einfach nicht aus den Kopf gehen, dass ein Schwarm Fische auf meinem Futterplatz war und sich dort offensichtlich aufhielt, aber nicht zum Fressen zu bewegen war. Vielleicht ist es ja nur ein neues Balzverhalten, was die Fische entwickelt haben? Letztendlich, was macht man nicht alles , dass einen die Angebetete schlussendlich erhört. Die Suizide Gefahr bei Männern soll ja auch bei akutem Sexmangel sprunghaft ansteigen. Liegt es da nicht nahe, dass die Karpfen aus purer Verzweifelung aus dem Wasser stürzen. Okay, okay, ich weis ich höre ja schon auf, euch mit meinen wirren Gedanken zu quälen. Es muss eine andere Erklärung dafür geben, warum die Karpfen in jener Nacht meine Köder verschmäht haben. Ich kam zu dem Entschluss, dass es nicht am Angelplatz liegen konnte, schließlich sprangen ja dort die Fische. Genauso schloss ich die Montage und die von mir benutzten Köder aus. Waren die doch verantwortlich für einer Reihe schöner Fische in der letzten Zeit.

Mein Gefühl sagte mir, es musste etwas mit dem Springen und Rollen der Fische auf sich haben, was ich zur dieser Zeit nicht deuten konnte. Meine Überlegungen waren folgendermaßen: Karpfen sind Herdentiere. Sie leben in einzelnen Gruppen .Es gibt sicher einige Einzelfische, die sich aus dem Herdenverband ausklinken. Das sind meistens die sehr großen Fische wie z.B. die Hure aus dem berühmten Cassien See. Geht man davon aus, dass die Fische in einem sozialen Herdeverband leben, der mehr oder weniger stark ausgeprägt ist, vielleicht vergleichbar mit einem Wolfsrudel, oder mit Walen.( Mit Sicherheit nicht so ausgeprägt wie bei den beiden vorher genanten Tierarten) ging ich davon aus, dass das Springen und Rollen eine Art von Kommunikation unter den einzelnen Fischen oder Fischgruppen ist.

Das Erlebte, weckte in mir die Neugierde, mehr über das Verhalten meiner Lieblinge zu erfahren. Ich beschloss in meinem Fangbuch eine neue Rubrik „Springen und Rollen der Fische“ hinzu zu nehmen und mich intensiver mit diesem Thema auseinander zusetzen. Ab dieser Zeit notierte ich jede einzelne Fischaktivität so detailliert wie möglich in meinem Fangbuch. . Worauf ich größten Wert legte zu unterscheiden, von dem so genanten Springen der Fische und dem Wälzen (Rollen) der Fische. Die Jahre vergingen und ich beangelte diverse interresante Gewässer. Egal ob ich meine Angelzeit an den großen Seen Frankreichs verbrachte, oder an diversen Flüssen und kleineren Seen überall habe ich Fische beim springen oder wälzen beobachten nnen . Ja, ich muss zugeben, ich erlebte gerade an den großen Gewässern richtige Sprungorgien von duzenden Fischen. Leider erlebt man heute solche Springorgien nur noch selten . Ich denke es liegt an dem starken Angeldruck, was die Fische davon abhält ihr natürliches Verhalten auszuleben.

Immer häufiger fiel mir auf, dass die Karpfen an Stellen sprangen, die für uns Angler nicht produktiv sind. Die Fische sprangen an sehr tiefen Stellen, an denen sie bestimmt nicht zu fangen waren und schon gar nicht wenn sie sprangen.

Ich fuhr oft mit meinem Boot und Echolot über die jeweiligen Stellen, an denen ich kurz vorher die Fische beobachten konnte. Ich stellte dabei fest, dass es sich dabei um Fische handelt die in der sogenannten Mittelschicht, beziehungsweise in der Oberschicht sich aufhielten. Ich hatte die Fische auch nie lange auf dem Echolot, was mir die Erkenntnis brachte, dass die Fische in einer Zugphase sind. Es handelt sich um Fische die von einer Stelle wegziehen, unterwegs sind oder ankommen.

Ich kam zu dem Entschluss, dass das Springen ein Zeichen von Aktivität ( Mobilität) ist. Was heißt dass für uns Angler? Wenn die Karpfen in der Phase des Springens sind, hat man meistens keine direkte Chance den oder die Fische zu fangen.

Die Fische sind in einer Zugphase, von einer Stelle zur anderen. Es ist aber auf jeden Fall ein sehr positives Zeichen, wenn man bisher auf seinem Angelplatz noch nichts gefangen hat.

Das heißt auf jeden Fall, dass Fische auf deinem Platz eingetroffen sind und voraussichtlich in Kürze anfangen werden zu fressen, wenn sie unseren Futterplatz attraktiv genug finden, um dort Nahrung aufzunehmen.

Wem das alles zu theoretisch ist, hier ein Beispiel aus der Praxis, wo ich am legendären Cassien-See erlebet habe: Seit mehreren Tagen befand ich mich in einer Bucht im Nordarm. Leider bisher ohne eine jegliche Aktion. Nachts schreckte ich aus dem Schlaf hoch, weil ich das Klatschen von einem großen springenden Fische vernommen hatte. Ich beschloss wach zu bleiben und hörte noch mehrere Fische in der Nähe von meiner Angelstelle springen, bis ich wieder einschlief. In der Morgensonne wurde ich dann von dem schönsten Ton der Welt geweckt und nach einem super Drill waren 19,7 kg mein. Dieses Erlebnis war eines von vielen, die ich in ähnlichen Situationen erlebt habe.

Leider bedeutet die Fischaktivität ( Springen) nicht nur Gutes für uns Angler, besonders dann, wenn man schon sehr gut gefangen hat. Das ist meistens das Zeichen, dass die Fische weiter ziehen. Für uns Angler ist es äußerst wichtig das Verhalten der Fische und die jeweilige Situation richtig deuten zu können.

Noch wichtiger ist es, dann auf die jeweilige Situation richtig zu reagieren. Wenn ich merke dass die Fische fortziehen, ist der wahrscheinlichste Grund, dass der Platz nicht mehr genug Nahrung für das Rudel Fische produziert. Dieses Problem zu lösen ist sicher einer der leichtesten Übungen eines Karpfenanglers. Ein weiterer Grund, warum die Fische von einem attraktiven Platz wegziehen ist ,wenn die Fische verängstigt sind. Mann darf nicht vergessen, dass die Karpfen wilde Tiere sind und sie es bestimmt nicht amüsant finden, wenn ein gehackter Kamerad durch das Karpfenrudel jagt. Die Fische reagieren sehr sensibel darauf. Vor allem, wenn sehr starker Angeldruck auf das jeweilige Gewässer besteht.

Leider haben wir Angler nicht immer die Möglichkeit die Fische am Platz zu halten, weil es noch eine Vielzahl anderer Gründe gibt, warum die Fische weiterziehen. So z.B. um Ruheplätze und Leichplätze aufzusuchen oder sonstige sozialen Kontakte zu pflegen. Trotzdem ist es sehr wichtig, weiter das Gewässer zu beobachten. Oft sieht man dann Stunden später die Fische an einer ganz anderen Stelle des Gewässers springen. Die Fische verraten dadurch dem Angler sehr viel über ihre natürlichen Zugruten und Fressplätze. Manchmal lohnt es sich auch, statt seinen Hintern breit zu sitzen, sein Tackel zusammenzupacken und den Fischen nachzuwandern. Kann ich jedem nur empfehlen.

Was ich für ganz wichtig halte, man muss auf jeden Fall einen Unterschied zwischen Springen und Wälzen machen.

Springen steht im Gegensatz zum Wälzen. Wenn die Karpfen springen hat man meistens keine direkte Chance den Fisch zu fangen . Springen ist meistens ein Übergang zur Mobilität oder umgekehrt. Es ist gut wenn man noch nichts gefangen hat und schlecht wenn man gut gefangen hat.

Das Wälzen und Rollen der Fische ist auf jeden Fall ein Zeichen, dass die Fische bereit sind Futter aufzunehmen oder sich direkt in der Fressphase befinden.

In den ganzen Angeljahren ist es so gut wie nie vorgekommen, dass ich keinen Biss auf meinem Futterplatz hatte, wenn die Fische aktiv beim Rollen waren. Es ist mir bis heute ein Rätsel, warum die Fische das tun. Geht ihr soziales Gefüge soweit, dass sie ihren Artgenossen auf den Futterplatz aufmerksam machen wollen? Vielleicht ist es aber auch eine Art von Dominanzgehabe der Karpfen, der folgenden Zweck hat, dass andere Gruppen von dem Fressplatz abgeschreckt werden. Leider kann ich hierzu keine genaue Auskunft erteilen.

Wenn man das Verhalten der Karpfen erst einmal kennt und darauf achtet, wird man sehr schnell feststellen, dass das vorher geschriebene schon stimmt und

wir Angler können dieses Wissen ganz hervorragend nutzen, um unsere kostbaren Angelstunden noch effektiver am Wasser einzusetzen wie bisher. Ich wünsche allen die meinen Artikel nicht nur als Hirngespinst ansehen, viel Spaß beim beobachten und jede Menge Erfolg beim Angeln.

All the Best.
Oliver Haselhoff